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Aktuelle Projekte: Unterirdische Schutzräume

Unterirdische Schutzräume für die Kritischen Infrastrukturen und Personenschutz in Fertigteilbauweise aus grünem Beton

Kriege in Verbindung mit forcierter weltweiter Aufrüstung sowie zunehmende Gefahr durch Terrorismus lassen die Nachfrage nach Schutzräumen massiv wachsen. Für den schnellen Wiederaufbau von ursprünglich oberirdisch installierten und durch den Krieg in der Ukraine zerstörten Transformatorstationen kam der Wunsch ukrainischer Kommunen nach unterirdischen Schutzräumen auf. Auch die Deutsche Bundesregierung hat in der Sicherheitsstrategie 2023 erkannt: „Unsere Kritischen Infrastrukturen sind vermehrt das Ziel erheblicher Bedrohungen und Störungen.“

Oberirdische, praktisch ungesicherte Transformatorstation in Deutschland

Der konventionelle Bau von unterirdischen Schutzräumen dauert oftmals mehrere Jahre, da in Abhängigkeit von den Baugrundverhältnissen oft sehr aufwendige und kostenintensive Spezialtiefbaumaßnahmen erforderlich sind, bevor mit dem eigentlichen Bau der Schutzräume begonnen werden kann.

Zur Reduzierung von Bauzeiten wird im Hochbau schon seit längerer Zeit mit Fertigteilen gearbeitet. Die industrielle Vorfertigung ist deutlich rationeller und die Montagezeiten auf der Baustelle um ein Vielfaches kürzer. Auf der Baustelle müssen keine Betonabbindezeiten wie bei der Ortbetonbauweise üblich eingehalten werden und die volle statische Tragfähigkeit ist sofort vorhanden.

Auch aus dem Berg- und Tunnelbau sind für den Verbau sowohl von vertikalen Schächten wie auch von horizontalen Tunneln Fertigteile aus industrieller Vorfertigung sogenannte Tübbing-Elemente seit langer Zeit bekannt. Die Elemente bestehen aus Kreissegmenten aus unterschiedlichen Materialien, vorwiegend Stahlguss, gewalzten/geformten Stahlplatten und Stahlbeton.

Für den unterirdischen Wiederaufbau der Transformatorstationen, als wichtige Komponente für die Stromversorgung, sowie für den Schutz von Menschen können keine langen Bauzeiten akzeptiert werden. Ein Problem stellt dabei die notwendige Tiefe der Bauwerke dar. Statische Anforderungen und das Vorhandensein von Grundwasser können den Aufwand und damit die Bauzeit massiv verlängern.

Zur Lösung der beschriebenen Probleme wurde das folgende Konzept entwickelt.

Die Anforderungen an die Größe und die spätere Nutzung der Bauwerke kann stark variieren, daher kommen grundsätzlich unterschiedliche geometrische Formen in Betracht, aus statischer Sicht ist jedoch eine kreisrunde Form zu bevorzugen. Die folgende Lösung basiert auf kreisrunden Schutzraum-Bauwerken, es lassen sich mit der gleichen Herangehensweise aber auch rechteckige oder Bauwerke mit anderen Geometrien realisieren.

Als Einbauverfahren wird das Absenkverfahren (ohne Druckluftkammer wie beim Caissonverfahren gebräuchlich) bevorzugt, da es unabhängig von den Baugrundverhältnissen und dem Grundwasserstand die schnellste Verfahrensweise darstellt. Bei diesem Verfahren wird auf eine Baugrube verzichtet, dass Bauwerk ersetzt den notwendigen Verbau und wird durch den Aushub / das Abpumpen des Bodens und durch das Eigengewicht abgesenkt.

Aus bauverfahrenstechnischer Sicht sollte der Durchmesser der Bauwerke zwischen 2,0 – 24,0 Metern liegen. In Abhängigkeit von den Transport– und Krankapazitäten kann im kleinen Durchmesserbereich mit Fertigteil-Ringen und im größeren Durchmesserbereich mit Fertigteil-Kreissegmenten gearbeitet werden. Dabei werden die unteren Segmente mit einer Schneide versehen.

Je nach erforderlicher Tiefe des Bauwerkes kann der Bodenaushub innerhalb des Bauwerkes bis zu einer Tiefe von rund 30-40 Metern mit einem Seilbagger erfolgen, im Trockenaushub beziehungsweise im Grundwasser im Nassaushub. Größere Tiefen sind in der Regel unwirtschaftlich, da mit zunehmender Tiefe die Spielzeiten der Aushubintervalle zu lang werden. Bei härteren Bodenarten und größeren Tiefen empfiehlt sich der Einsatz einer Spülförderung in Kombination mit einer Technik zum Lösen des Bodens, wie sie bei Schwimmbaggern zum Einsatz kommt. Hierbei ist das oftmals ohnehin anstehende Grundwasser beziehungsweise eine Wasserzugabe erforderlich. Der Boden wird dabei mechanisch, in der Regel mit rotierenden Abbauwerkzeugen, oder mit Hoch- oder Höchstdruckwasserstrahlen gelöst. Anschließend wird das Wasser-Bodengemisch abgepumpt. Der große Vorteil bei dieser Verfahrensweise ist der kontinuierliche Bodenabbau und Abtransport gegenüber dem diskontinuierlichen Seilbaggerbetrieb. Damit verbunden ist eine weitere Verkürzung der Bauzeit. Die Spülförderung erfordert im Gegenteil zur Nassbaggertechnik in der Regel aber eine zusätzliche Boden–Separationsanlage.

Durch das Gewicht der industriell vorgefertigten Fertigteilringe oder Kreissegmente, welche vor dem Absenken zu Ringen wasserdicht montiert werden, sinkt das Bauwerk langsam ab. Das Absinken (Abteufen) des Bauwerkes kann durch die Bodenentnahme sowie durch Haltevorrichtungen gesteuert werden. Sobald der zuletzt montierte Ring das Geländeniveau erreicht hat, wird der Bodenaushub unterbrochen und die nächsten Ringe werden montiert.

Wenn die gewünschte Bauwerkstiefe erreicht ist, endet der Absenkvorgang und es wird eine Unterwasserbetonsohle eingebracht. Hierzu werden die Fertigteilsegmente im unteren Bereich des Bauwerkes zur Aufnahme von Stahlbewehrung und zur wasserdichten „Verzahnung“ mit der Unterwasserbetonsohle bereits bei der Produktion entsprechend vorbereitet. Nach der Aushärtung der Unterwasserbetonsohle kann das Wasser aus dem Bauwerk herausgepumpt werden.

Bevor die Decke des Schutzbauwerkes erstellt wird, erfolgen die Einbauten. Analog der industriellen Vorfertigung der Schutzraumaußenwände werden auch die Etagendecken, eventuelle Trennwände sowie die Fahrstuhl / Treppenhauskonstruktion, Be- und Entlüftungsrohre, Rohre für die Be- und Entwässerung, als Module gefertigt.

Die Einbauten werden nach dem Baukastenprinzip in transportfähigen Einheiten vorgefertigt, in das offene Bauwerk herabgelassen und dort miteinander verbunden. Hierdurch ergibt sich eine weitere Bauzeitenverkürzung.

Nach dem Abschluss des Innenausbaus des Schutzraumes wird die Schutzraumdecke ebenfalls aus Fertigteil-Elementen montiert. Je nach späterer Nutzung des unterirdischen Schutzraumes können neben dem Hauptzugangsschacht weitere Fluchtwege, sowie Ver- und Entsorgungsleitungen als horizontale Tunnel erstellt werden.

Die Schutzraumdecke kann später als Fundament für ein Gebäude genutzt werden oder mit dem ausgehobenen Boden abgedeckt werden.

Sollte eine Abdeckung mit Boden in Betracht gezogen werden, wird ebenfalls mit Fertigteil-Halbkreissegmenten der Hauptzugangsschacht überbaut und aus der Bodenüberdeckung herausgeführt.

Mit der beschriebenen Verfahrensweise können unterirdische Schutzräume unabhängig von Grundwasser und Geologie in Tiefen von über 100 Metern hergestellt werden.

Vorteile der Bauweise:

  • Erhebliche Bauzeitreduzierung
  • Multifunktionale Nutzung durch Ausbau nach dem Baukastenprinzip
  • Sicherheitsbedarf durch flexible Fertigteildicken und große Tiefen anpassbar
  • Flächenbedarf problemlos durch größere Tiefen / mehr Etagen anpassbar
  • Tiefe Bauwerke deutlich kostengünstiger als bei konventioneller Bauweise
  • Extrem geringer Flächenbedarf, daher auch innerstädtisch problemlos anwendbar
  • Schutzräume können nachträglich erstellt werden und auch innerstädtisch durch Tunnel mit vorhandenen Gebäuden verbunden werden
  • Wegfall des temporärem Baugrubenverbaus sowie effektivere Fertigteilproduktion reduzieren die Emissionen erheblich

Dekarbonisierung durch modifizierte Bauverfahrenstechnik und Herstellung der Beton Tübbing-Elemente aus „grünem Beton“ nach dem Wismarer Verfahren.

Der deutlich geminderte Einsatz von Bauverfahrenstechnik sowie der Wegfall des temporärem Baugrubenverbaus und die effektivere Fertigteilproduktion reduzieren gegenüber der konventionellen Bauweise von Schutzräumen die Emissionen schon erheblich.

Beim Einsatz von herkömmlichem Beton würden weiterhin sehr hohe Emissionen erzeugt werden. Für ein 10 Meter tiefes Schutzraumbauwerk mit einem Schachtdurchmesser von 12 Metern werden rund 600 - 800 Tonnen Beton benötigt. Daher soll das Wismarer Verfahren bei der Fertigteilproduktion zur Anwendung kommen. Ziel des Verfahrens ist mittels eines energiesparenden Niedertemperaturverfahrens die Gewinnung von Recycling-Zement aus Altbeton. Die Emissionen bei der Zementherstellung entstehen im Wesentlichen bei der Herstellung des Zementklinkers. Etwa zwei Drittel davon werden durch die Freisetzung von CO2 aus den eingesetzten Rohmaterialien (Kalzinierung von Kalkstein) und ein Drittel durch die Verbrennung der Brennstoffe verursacht. Bei dem Wismarer Verfahren entfallen die Kalzinierung und der Energiebedarf bei der Herstellung liegt bei nur circa einem Drittel des Zementklinkerbrandes.

  • Verfahrensschritt I: Schreddern des Betons zur Gewinnung des Betonbrechsandes.
  • Verfahrensschritt II: Durch eine weitere mechanische Aufbereitung des Betonbrechsandes wird der Zementsteinanteil in der Feinstfraktion angereichert.
  • Verfahrensschritt III: Die thermische Behandlung erzeugt aus der Feinstfraktion ein eigenständiges, hydraulisches Bindemittel, den RC-Zement.

Durch Einsatz von RC Gesteinskörnung in Verbindung mit RC-Zement kann mit dem Wismarer Verfahren eine vollständige Kreislaufwirtschaft erreicht werden.

Im Labortechnischen Maßstab konnte an der Hochschule Wismar das Verfahren bereits nachgewiesen werden, die Festigkeitsentwicklung des RC-Zements ist der eines Portlandzements vergleichbar. Bei der Verwendung der als Koppelprodukt im Zuge der RC-Zementgewinnung anfallenden RC-Gesteinskörnung ergeben sich angesichts deren Belegung mit mikrofeinen hydraulisch aktiven Bindemittelpartikeln höhere Druckfestigkeiten.

Der nächste Schritt ist die Umsetzung eines Pilotprojektes zur Demonstration der Leistungsfähigkeit des „grünen Betons“ und der Realisierung eines geschlossenen Kreislaufkonzeptes zur Fertigung von Tübbing-Elementen für den Bau von unterirdischen Schutzräumen für die Kritische Infrastruktur.

Ein weiterer bisher noch nicht näher untersuchter Effekt ist die Möglichkeit die bisher ungenutzte Abwärme der oberirdischen Transformatorstationen in einem unterirdischen, geschlossenen Bauwerk für die Nah- / Fernwärmeversorgung zu nutzen.

 

Verantwortlich:

Prof. Jens Hölterhoff Baubetrieb- / Bauverfahrenstechnik

Prof. Winfried Malorny Baustofftechnologie